TTIP, TISA, CETA & Co.

TTIP & Co: Private Schiedsgerichte sind verfassungswidrig

20.01.2015

Transatlantische Freihandelsabkommen sehen häufig vor, dass Unternehmen Staaten vor privaten Schiedsgerichten verklagen können – wenn die Unternehmen einen möglichen Gewinn durch neue Gesetze gefährdet sehen. Diese privaten Schiedsgerichte „verstoßen gegen das Grundgesetz und kollidieren mit den Prinzipien des Völkerrechts“, stellt jetzt der frühere Verfassungsrichter Siegfried Broß in einer von der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) geförderten Expertise fest.

„Die Skepsis gegenüber solchen Privat-Gerichten ist verbreitet – und berechtigt“, schreibt Broß laut einer Pressemitteilung der HBS. Nach seiner Ansicht kollidieren diese Privatgerichte, die auch Bestandteil der geplanten Abkommen der EU mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) sein sollen, an mehreren zentralen Punkten mit Grundgesetz und Völkerrecht. In Regionen mit funktionierenden Rechtssystemen spreche ohnehin wenig für eine überstaatliche Rechtsprechung. Als rechtskonform könne er sich allenfalls Staatsschiedsgerichte vorstellen, deren Richter/innen mit Zustimmung der nationalen Parlamente berufen werden. Diese könnten jedoch nur später auftretende Lücken und Schwächen im Vertrag durch ihre Urteile korrigieren.

Bisher fungieren bei diesen Schiedsgerichten meist Privatleute als Richter/innen, häufig sind es Jurist/innen aus großen internationalen Anwaltskanzleien. Die Verhandlungen sind grundsätzlich nicht öffentlich, eine Berufungsinstanz gibt es auch nicht. Die privaten Schiedsgerichte zählen zu den größten Kritikpunkten bei TTIP und CETA.

Broß lehnt Freihandelsabkommen nicht grundsätzlich ab. Sein Befund lautet dennoch: „Diese Abkommen sind nach dem derzeitigen Stand mit den Klauseln über den Investorschutz zugunsten ausländischer Unternehmen und die Einrichtung privater Schiedsgerichte verfassungswidrig.“ Daran änderten auch die vielen grundsätzlich ähnlich gestrickten Freihandelsabkommen nichts, die verschiedene Bundesregierungen seit 1959 abgeschlossen haben: „Auch wenn Deutschland eine solche ,Tradition' begründet hat, liegt hierin noch keine Rechtfertigung dafür, hieran unverbrüchlich festzuhalten“, so der Jurist.

Text: Heike Langenberg