Tarifeinigung im kommunalen Nahverkehr in NRW
Am 6./7. November sind die Tarifverhandlungen mit den kommunalen Nahverkehrsunternehmen in Nordrhein-Westfalen in der dritten Verhandlungsrunde zu Ende gegangen.
ver.di und der kommunaler Arbeitgeberverband NRW haben sich unter anderem darauf verständigt, die Entgeltgruppe 5a zum 1. Februar 2021 abzuschaffen. Darüber hinaus werden die Tarifergebnisse aus dem öffentlichen Dienst, zu denen auch die Vereinbarung einer Corona-Prämie im Dezember 2020 zählt, übertragen und teilweise verbessert.
Die ver.di Tarifkommission für den TV-N NW stimmte dem Kompromiss nach ausführlicher Diskussion und Bewertung mehrheitlich zu. Erfolg war nur durch die massive Streikbeteiligung aus den Betrieben möglich.
Übertragung des Tarifergebnisses aus der Tarifrunde Bund/VKA
Das Tarifergebnis aus der Tarifrunde Bund/VKA wird auf den TV-N NW übertragen. Für die Beschäftigten im TV-N NW bedeutet das, dass die Tabellenentgelte
- ab dem 1.4.2021 um 1,4% mindestens aber um 50€ angehoben werden
- und ab dem 1.4.2022 um 1,8%. (Auswirkung siehe gesonderte vorläufige Tabelle)
Alle Beschäftigten im kommunalen Nahverkehr erhalten eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von 600 €. Die Corona-Prämie wird im Verhältnis entsprechend der individuellen Arbeitszeit berechnet (Teilzeitanteil) und noch im Dezember 2020 ausgezahlt. Die Zahlung ist im Dezember 2020 steuer- und abgabenfrei, d.h. der Betrag wird vollständig ausgezahlt.
Ab 2022 wird darüber hinaus die Jahressonderzahlung für alle Beschäftigten im Geltungsbereich des Spartentarifvertrags Nahverkehrsbetriebe in NRW von 82,14% auf 87,14% angehoben.
Abschaffung der Entgeltgruppe 5a
Die Entgeltgruppe 5a wird abgeschafft! Zum 1. Februar 2021 werden die Beschäftigten, die bisher in der Entgeltgruppe 5a eingruppiert sind, in die Entgeltgruppe 5 übergeleitet. Vor der Überleitung erhalten die Beschäftigten einen Erhöhungsbetrag von 75 € auf ihr jeweiliges Tabellenentgelt. Die Zuordnung zur Stufe erfolgt in die Stufe, die unterhalb des erhöhten Tabellenentgelts aus der 5a liegt. Nach der Überleitung wird die danach ermittelte Differenz zum neuen Tabellenentgelt als persönliche dynamische Zulage bis zum nächsten Stufenaufstieg oder zu einer weiteren Höhergruppierung weitergezahlt.
Ab April 2021 kommt die 1. Stufe der Erhöhung der Tabellenentgelte hinzu, sodass die Kolleg*innen in Vollzeit ab 1. April 2021 gegenüber Dezember 2020 insgesamt 125 € mehr verdienen werden.
Wenn man die Erwerbsbiografie eine*r Fahrer*in im Fahrdienst, die bisher in der EG 5a eingruppiert war, langfristig betrachtet, liegt damit die Erhöhung im Durchschnitt nach 20 Jahren bei ca. 7,6% und nach 35 Jahren bei über 10%.
Prozessvereinbarung zur Modernisierung der Entgeltordnung
Die Tarifkommission hatte Handlungsbedarf bei der Entgeltordnung, also bei den Regeln, nach denen die jeweilige Entgeltgruppen den dazugehörigen Tätigkeiten zugeordnet wird, angemeldet. Im Ergebnis haben wir uns mit den Arbeitgebern auf eine Prozessvereinbarung verständigt. Das bedeutet, dass die Entgeltordnung im Jahr 2022 überarbeitet werden soll. Die ver.di Tarifkommission will vor dem Hintergrund veränderter Anforderungen in den Tätigkeiten, zum Beispiel in den Werkstätten oder der Verwaltung, erreichen, dass die Eingruppierungsmerkmale überarbeitet werden.
Gesprächszusage zur Entwicklung einer Regelung zum Anlegen einer Dienstkleidung und zur Mitnahme von Betriebsmitteln
Die Arbeitgeber wollten eine einheitliche Regelung zum Anlegen bzw. Tragen der Dienstkleidung und zur Mitnahme von Betriebsmitteln (z.B. Wechsler oder Tablets) vereinbaren. Bisher bestehen in einigen Betrieben hierzu keine Regelungen. Andere Betriebe haben Regelungen, die wiederum unterschiedliche ausfallen. Letztlich wurde vereinbart, im Jahr 2021 in Gespräche über eine Regelung einzutreten. Im Vorgriff auf eine mögliche Regelung wird der 24.12.2021 (bzw. im Fall dienstlicher Notwendigkeit ein anderer Tag) einmalig arbeitsfrei.
Angriffe der Arbeitgeber auf Kündigungsschutz und Krankengeldzuschuss abgewehrt
In den Verhandlungen wollten die Arbeitgeber die Regelungen zum Kündigungsschutz langjähriger Beschäftigter lockern, sowie die Regelungen zum Krankengeldzuschuss ändern. Arbeitnehmer*innen sollten nach dem Willen der Arbeitgeber nur noch den Zuschuss zum Nettokranken-geld erhalten. Diese Angriffe wurden zurückgewiesen und entsprechende Eingriffe verhindert.
Bewertung des Verhandlungsergebnisses
Die Übertragung des Tarifergebnisses aus dem öffentlichen Dienst, die Corona-Sonderzahlung auf alle Beschäftigten und die Erhöhung der Jahressonderzahlung ab 2022 ist aus Sicht der Tarifkommission gut und gegenüber dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst ein Plus.
Die Abschaffung der EG 5a ist ein großer Erfolg: Mit dem Tarifabschluss ist es gelungen, die Forderung, nach der Abschaffung der Entgeltgruppe 5a für die Beschäftigten im Fahrdienst durchzusetzen. Das wäre ohne den massiven Druck aus den Betrieben nicht möglich gewesen. Bei der Stufenzuordnung in die Entgeltgruppe 5 konnte ver.di sich nicht vollständig durchsetzen, aber mit dem Erhöhungsbetrag von 75 € einen sofortigen deutlichen Zugewinn für die Kolleg*innen aus der bisherigen EG 5a sicherstellen.
Der Stand der Ergebnisse im Bereich der Entlastung und Änderung der Regelungen zur Arbeitszeit sind aus Sicht der Tarifkommission unbefriedigend. Hier besteht nach wie vor Handlungsbedarf. Die überwiegende Einschätzung in der Tarifkommission war aber, dass Verbesserungen hier nur noch durch weiter massive Streiks durchzusetzen wären.
Unter den Umständen der Corona-Pandemie erscheint der Tarifkommission eine massive Ausweitung der Streiks mehrheitlich keine Option zu sein. Darüber hinaus bleibt für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen das Problem, dass auch die bisher geeinten Themen vom Tisch wären und wenigstens die steuerfreie Corona-Sonder-zahlung nicht mehr rechtzeitig zu vereinbaren gewesen wäre.
Am Thema Entlastung und Arbeitszeit müssen wir dranbleiben. Darüber hinaus ist in Klärung, welche Themen zur Entlastung in mögliche Gespräche um eine bundesweiten Rahmentarifvertrag Eingang finden. Wir halten fest: Wir werden die Themen spätestens Ende 2023 wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Denn mit einer Laufzeit bis zum 31.12.2023 wurde für den Manteltarifvertrag eine relativ kurze Laufzeit vereinbart.