Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

Mutterschutzfristen und Rente ab 63

13.11.2014

Werden Frauen diskriminiert?

Die Bundesregierung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Alterssicherung von Müttern zu verbessern. Dies war Intention für die Verbesserungen bei der „Mütterrente“. Scheinbar völlig vergessen wurde dabei die rentenrechtliche Bewertung der Mutterschutzfrist, also 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Entbindung, in der ein Beschäftigungsverbot besteht.

Während der Mutterschutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz (in der Regel 6 Wochen vor/bis 8 Wochen nach der Geburt eines Kindes) dürfen Schwangere nur dann beschäftigt werden, wenn sie dies ausdrücklich erklären. Nach der Entbindung besteht ein absolutes Beschäftigungsverbot (§ 3 MuSchG). In dieser Zeit haben Arbeitnehmerinnen Anspruch auf Mutterschaftsgeld, das nicht beitragspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung ist. Ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis besteht in diesen 14 Wochen ebenfalls nicht. Auch werden keine Beitragszeiten für die spätere Rente erworben, da diese Zeiten „nur“ als Anrechnungszeiten (§ 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI) und damit nicht für die Wartezeit von 45 Jahren bei der Rente ab 63, der Altersrente für besonders langjährig Versicherte, zählen.

Dies hat Matthias W. Birkwald, Rentenexperte der Partei DIE LINKE, veranlasst, im Oktober eine schriftliche Anfrage im Deutschen Bundestag (BT-Drucks. 18/2930 vom 17.10.2014) zu stellen und zu fragen, ob damit nicht ein Diskriminierungstatbestand erfüllt wird und es sich um einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG handle. „Erwerbsunterbrechungen von Männern werden anerkannt, die von Frauen nicht“, so Birkwald.

Das stimmt, zwangsweise Erwerbsunterbrechungen von Frauen werden für die Rente ab 63 nicht anerkannt. Dies gilt jedoch nicht für die gesamten 14 Wochen. Richtig ist, dass je nachdem, wann die Schutzfristen beginnen, es zu einer teilweisen Nichtberücksichtigung dieser Zeiten für die Rente ab 63 kommen kann.

Zu unterscheiden ist die Zeit vor und nach der Geburt:

  1. Zeit vor der Geburt:

    In der Regel endet die Beschäftigung und damit der Beginn der 6-wöchigen Mutterschutzfrist vor der Geburt in einem Monat, in dem noch gearbeitet wird. Fallen nicht anrechenbare (Zeiten in der Mutterschutzfrist) mit anrechenbaren (Beschäftigungs-)Zeiten in einem Monat zusammen, dann zählt der Monat komplett für die Wartezeit von 45 Jahren.

    Beispiel: Beginnt die Mutterschutzfrist am 26. eines Monats können max. rund 5 Wochen als Anrechnungszeit nicht für die Wartezeit für die Rente ab 63 gelten.

     

  2. Zeit nach der Geburt:
    Für die 8-wöchige Mutterschutzfrist nach der Geburt gilt: Ab der Geburt des Kindes zählen
    10 Jahre als Berücksichtigungszeiten (§ 57 SGB VI), die wiederum auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden. Hier kommt es zu keiner Lücke.

Insgesamt, so die Deutsche Rentenversicherung, kann es max. zu einem Kalendermonat der Nichtberücksichtigung kommen.

In der Praxis trifft die Problematik Frauen nur partiell. Nur rund 15 %–25 % der Versicherten, die die Rente ab 63 in Anspruch nehmen können, sind Frauen. Der Anteil der Frauen, für die dieser (nicht berücksichtigte) Monat den Ausschlag für die Inanspruchnahme der Rente ab 63 entscheidungserheblich ist, dürfte minimal sein. Mehrheitlich ist die Rente ab 63 eine Rente für Männer, für die diese Fragen nicht von Bedeutung sind.

Dieses Problem muss jedoch gelöst werden; Zeiten der Mutterschutzfrist müssen für die Rente ab 63 anerkannt werden. Aus ver.di-Sicht wäre es sachgerecht, wenn die Krankenversicherung, die das Mutterschaftsgeld zahlt (§§ 24 c SGB V, 13 MuSchG) für die Zeit des Mutterschutzes entsprechende Beiträge an die Rentenversicherung entrichtet, so dass echte Pflichtbeitragszeiten entstehen. Schwangerschaft ist keine „Krankheit“ 2. Klasse!

Das von einem (männlichen) Minister geführte Bundesministerium für Gesundheit BMG hat die Zahlung von Beiträgen abgelehnt.

Die von zwei Ministerinnen geführten Ministerien, das Familienministerium BMFSFJ und das Arbeitsministerium BMAS sind auf der Suche nach einer Lösung. Aus deren Häusern kam die Antwort an Matthias W. Birkwald „Wegen des engen Zusammenhangs von Mutterschutz und Kindererziehung wird die Bundesregierung dennoch prüfen, ob eine Änderung des geltenden Rechts angezeigt ist“.

Es ist allen Frauen zu wünschen, dass dies den Ministerinnen gelingt!

 

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